von
Gabriele
ROTTER
Nach einem turbulenten Fasching
kam die Fastenzeit und damit die Kreuzwegandachten.
Sie wurden verschönt durch den Trompeten- bzw. Posaunenchor, welcher weit über
die Nachbarorte hinaus bekannt war. Natürlich sang auch die Gemeinde aus voller
Kehle mit. Allein der „Kerchvoter“ (Kirchendiener)
hatte seine Probleme. Durch die Überanstrengung seiner Stimmbänder beim
Vorbeten überschlug sich öfters seine Stimme und zu seinem Leidwesen erklangen
schrille Jauchz- und Quietschtöne in unabsehbarer
Zeitfolge. Es ist nicht auszuschließen, dass manches Schlitzohr schon darauf
wartete.
Unser lieber Pfarrer, Herr
Karel Kyselo (gebürtiger Tscheche), welcher der
deutschen Sprache nicht hundertprozentig mächtig war, war immer bemüht, die
Andachten recht würdig zu gestalten. Seine Person selbst und seine mächtige
Stimme gaben den Feiern schon den gebührenden Anstrich. Nur einen Punkt konnte
er durch all die Jahre nicht ablegen:
Es war bei der 12. Station;
laut und deutlich sprach er:“ und da
sah ich Jesum erblasen.“ Ganz
aufgeregt wurde er immer wieder von seinen Ministranten aufmerksam gemacht - Erblassen, Herr Pfarrer, erblassen! -
Es wurde überhört; der Versprecher saß fest, leider an der so traurigen Stelle.
Man schmunzelte zwar darüber, doch trübte dies niemals das christliche oder
nationale Verhältnis zwischen ihm der Gemeinde.
Dann kam Ostern, das Fest der
Auferstehung. Ob im März oder April, für uns war es nach dem langen Winter der
Frühlingsanfang. Es war egal, ob die Sonne schien, es regnete oder schneite.
Der Frühling hielt mit der Auferstehung
Christi seinen Einzug. Dabei erinnere ich mich an ein besonderes Osterfest.
Selbst schon kein Kind mehr,
sondern ein dünnes, hochgeschossenes Geschöpf von etwa 19 - 20 Jahren, wollte
ich ja, wie alle anderen, frühlingsmäßig ausschauen und kaufte mir von meinem
mageren Gehalt sommerliche Kleidung. Zum Wetter: die Schneeglöckchen blühten
auf schneefreien Flecken. Nass und rutschig waren die Straßen. Aber
nichtsdestotrotz, wie nach altem Brauch, rein in die Stadt und die leichten
Sachen gekauft. Einen Trenchcoat, Niederschuhe, natürlich mit Stöckelabsätzen,
Seidenstrümpfe und eine aus Bast gehäkelte Baskenmütze. Alles war schön, bis
auf das „Frühlingswetter“.
Ostersamstag. Nachdem sich um
fünf Uhr früh, die Älteren werden sich noch daran erinnern können, einige
Männlein und Weiblein nach altem Brauch symbolisch zur „Emmauswanderung“
zusammengefunden hatten; es war ein Gebetsgang um die Felder. In einer Ecke des
Friedhofs, von den Bauern hergebrachte Holzscheite als „Judasfeuer“ angezündet
wurden, um später daraus Holzkreuze zu schnitzen und an die Ecken der
Getreidefelder zu stecken für ein fruchtbares Erntejahr, war der
Auferstehungstag eingeleitet.
Am späten Karsamstagnachmittag
war dann die Auferstehungsfeier. Es war ein riesiges Aufgebot. Feuerwehr,
Musikkapelle, ja alles, was laufen konnte, strömte zur Kirche. Sie war meistens
übervoll. Nachdem Herr Pfarrer Kyselo am „Heiligen
Grabe“ verkündete: “CHRISTUS ist
erstanden“, erhob sich das Volk und strömte mit fröhlichem Gesang: „Seht
auferstanden ist der HERR!...“, begleitet von
Fahnenträgern, Musikkapelle und Feuerwehr dem Seitenausgang zu, um sich zur
Auferstehungsprozession aufzustellen. Sie führte von der Kirche aus über den Grundsteg
bis Ecke Neugebauer, Flescherpepi, Teschlerfriedl, Post, Stootsschustern,
alte Schule, Zeuners Dolflan
zurück zur Kirche.
Aber diesmal war wohl ein
richtiger Pechtag. Schon bei den ersten Schritten fing es an zu tröpfeln. Der
Schnee war glitschig, die Eisflächen zur Rutschbahn geworden. Meine
Baskenmütze, schief über den Kopf gezogen, die wie ein Teller nun den halben
Kopf bedecken sollte, hatte sich bald zu einer Pudelmütze verformt. Mein
schöner neuer Trenchcoat, welcher meine schlanke Linie durch seine Länge noch
mehr betonte, klatschte bald an meine Waden. Durch die Gleit- und Rutschpartien
spritzte es von unten, zudem der Regen von oben. Von meinen neuen
Stöckelschuhen will ich gar nicht sprechen. Aber das alles störte nicht, wie
gesagt: Es war die Auferstehung, es war Ostern; der Frühling war eingeläutet!
Von der Kirche nach Hause. Nach
der langen Fastenzeit durften wieder Fleisch und Fleischwaren gegessen werden.
Der Schnelligkeit wegen gab es meist heiße Knacker (Würstchen) oder einen Kringel
heißer Wurst mit Senf, Brötchen/Hörnchen und mit einem Krug Bier vom Fass. Der
schon vorbereitete Braten wurde erst am Ostersonntag gegessen.
Im Laufe des Abends traf sich
das junge Volk bei uns oder im Gasthaus bei Peters Marie in Pollom
zu einem fröhlichen Beisammensein. Es wurde richtig gefeiert, gesungen, getanzt
und gelacht. Aber nicht nur das junge Volk feierte, sondern auch die „Alten“
saßen in fröhlicher Runde beisammen.
Vielleicht war es in den
Städten anders, aber bei uns auf dem Lande, im Gebirge, war es so. Manch
anderer wird sich, genau so wie ich, gerne daran erinnern.
GABRIELE ROTTER