Bedingt durch die verbreitete Armut in unserem Dorf und im
ganzen Adlergebirge, - denn auch die Leute mit größerem Besitz mussten sich
täglich mühsam plagen, um es zu erhalten -, war der Zusammenhalt und die
gegenseitige Hilfe, nicht nur zu Notzeiten, selbstverständlich. Kleine
Hilfeleistungen wurden meistens mit Naturalien abgegolten. Besonders zur
Erntezeit wurde jeder Handgriff gebraucht, ebenso beim Getreidedreschen, ob es
mit den Flegeln war, um langes Stroh für die Strohsäcke oder für die Seile zum
Garbenbinden zu erhalten oder auch wenn ´PREISLER-WÄNER mit seinen Motor von
Bauer zu Bauer zog, um die Dreschmaschinen anzutreiben. Dabei verdienten sich
die HOISLALOITE, Arbeiter ohne festen Arbeitsplatz, die meistens in den
„Ausgedinge“, d.h. Altenteilhäuschen wohnten, manche schwer erarbeitete Krone.
Dieses Aufeinander -angewiesen-Sein ließ auch keinen Neid oder Missgunst
aufkommen, die sonst leicht bei Standesunterschieden auftreten.
Sowohl die Jugend als auch die Erwachsenen pflegten allein
durch ihre strenge Erziehung einen guten, aber oft mundartlich bedingten rauen
Umgangston, sodass der Vorsteher als untere Gerichtsperson wenige
Nachbarschaftsstreitigkeiten zu regeln hatte.
Unsere Beziehungen zu den tschechischen Nachbarn verliefen
im Allgemeinen freundschaftlich bei gegenseitiger Achtung; nur wir Schulkinder
haben uns auf dem gemeinsamen Schulweg oft geneckt, aber ohne großen Hader.
Auch die Zusammenarbeit in der Gemeindevertretung (zuletzt
vor 1938 haben fast 20% die tschechischen Kandidaten gewählt, besonders auch
die abhängig Beschäftigten) verlief nach Angaben meines Vaters, der 17 Jahre
lang nach dem 1.Weltkrieg im Gemeinderat war und oft als Dolmetscher fungieren
musste, ohne besondere Schwierigkeiten. Das besondere Verhältnis zeigte sich
beim deutschen Einmarsch im Oktober 1938, dass die ansässigen Tschechen
weiterhin im Ort verblieben, soweit sie nicht zum „Protektorat Böhmen/Mähren“
votierten. Wieweit behördliche Maßnahmen nach der deutschen Gesetzgebung den
verbliebenen Tschechen persönliche Nachteile brachten, ist mir nicht bekannt.
Im Mai 1945 waren die ansässigen Tschechen oftmals hilfsbereit und verurteilten
die Ausschreitungen und Übergriffe umherziehender tschechischer Banden in
unserem Ort. Der neue Gemeinderat (narodny vybor), wurde größtenteils von Zugereisten besetzt. Bei
späteren Besuchen der alten Heimat wurden wir von Bekannten allgemein
freundlich begrüßt und aufgenommen.
Nach dem Einmarsch und der Errichtung der
Demarkationslinie zur CSR 1938 wurden wichtige Versorgungswege und
Verdienstmöglichkeiten abgeschnitten. Die Faktoreien für Wollausgeber der
Handweber, welche von den jüdischen Firmen MÜLLER und BLEYER in Neustadt a. Mettau betrieben wurden, fielen weg. Später übernahm die
Fa. SCHROLL Herold & Söhne aus Braunau, Wollausgeber SCHINTAK diese Aufgabe
und richtete für die Mitarbeiter/Weber und deren Kinder auch Weihnachtsfeiern
in Gießhübel bei Hotel JIRKU aus. Die tschechische
Firma Tyls / Grulich musste
ihre mechanische Weberei einstellen. Da wurden dann deutsche Familien
einquartiert. Auch die Verkehrswege waren unterbunden. Davon war ich selber
auch betroffen. Beim deutschen Einmarsch arbeitete ich bei einem tschechischen
Meister in Neustadt. Ein paar Tage später fuhr ich die 15 km mit dem Fahrrad
nach Hause, um zu sehen, was eigentlich los ist. Als ich abends wieder zur
Arbeitsstelle wollte, wurde mir der Weg von Reichsdeutschen
Zöllnern/Grenzposten versperrt, da ich keinen amtlichen Grenzausweis hatte.
Meine Sachen konnte ich erst Wochen später abholen. Wo sonst der Bus nach
Neustadt, unserer Bezirksstadt, bis zum Bahnhof fuhr und auch andere Fuhrwerke
die Versorgung unserer Geschäfte mit Lebensmittel sicherstellten (die
Großhändler Moravek und Moravec
führten auch Waren mit deutscher Beschriftung), auch die Handwerker mit
Material und Rohstoffen versorgten, war jetzt Lewin/Hummelstadt als Bahnhof und
Busverbindung maßgebend und GRULICH wurde unsere Kreisstadt. Auch tschechische
Viehhändler (u.a. Bek aus Zakravy)
und andere Händler konnten nicht mehr kommen.